Gemeindebund: „Wir müssen uns auf die Kernaufgaben konzentrieren.“

Die österreichischen Feuerwehren sind in den Gemeinden tief verankert. Sie sorgen für Sicherheit, erfüllen aber auch einen wesentlichen sozialen Aspekt im Ortsgefüge. FEUERWEHR.AT traf Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl zum Gespräch. Die Bedeutung der Feuerwehr, die Finanzierung sowie aktuelle Herausforderungen wurden im Interview thematisiert.

Interview von Andreas Rieger

FEUERWEHR.AT: Was verbindet die Gemeinden und die Feuerwehren?

„Im Ortsgefüge verbindet uns die gemeinsame Zielsetzung, für die Menschen Sicherheit zu geben. Für die Gemeinde ist es natürlich auch ein wichtiges Anliegen, über die Einsätze hinaus auch den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur zu schaffen. Ich würde das Zusammenspiel als Getriebe beschreiben, das Getriebe der Sicherheit, wo die Zahnräder mehr oder weniger kongruent ineinanderlaufen und wo für die Menschen ein Netz der Sicherheit aufgebaut ist. Und dieses Netz spannen wir gemeinsam.“

Die Feuerwehr wird sehr oft nicht nur als Einsatzorganisation wahrgenommen, sondern auch als wesentliches Element des sozialen Gefüges einer Gemeinde. Wie sehen Sie die Feuerwehr in diesem Kontext?

„Die Feuerwehr ist immer schon Träger des öffentlichen Lebens. Bei den Fronleichnamsprozessionen zum Beispiel, haben die Feuerwehren gezeigt, dass sie ein Teil der Tradition und der Kultur einer Gemeinde sind. Es verbirgt sich hinter diesem öffentlichen Zeichen viel mehr und es wird auch von Ort zu Ort immer stärker. Wir erleben das vor allem in peripheren Regionen, wo der letzte Wirt weg ist, wo gewisse Kommunikationseinrichtungen weg sind und teilweise die Feuerwehr diese Gemeinschaftsfunktionen übernimmt. Das ist natürlich nicht die Kernaufgabe der Feuerwehr, aber es hat sich einfach sehr gut entwickelt. Das freiwillige Engagement bei der Feuerwehr hat somit auch einen sozialen Effekt, wo Menschen mitgetragen werden, wenn es ihnen vielleicht schlecht geht, wenn Hilfe notwendig ist. Ich erlebe Feuerwehr sehr positiv.“

Spielt die Feuerwehr aus Ihrer Sicht eine Rolle, wenn es um die Attraktivierung von Gemeinden geht und den Nachwuchs in den Gemeinden zu halten?

„Die Feuerwehr ist sicher ein unglaublich wichtiges Bindeglied für den ländlichen Raum und   ein wichtiges Identifikationsmerkmal der Gemeinschaft vor Ort. Ich erlebe schon immer wieder, dass junge Menschen sagen, ich möchte in der Gemeinde leben, weil da bin ich in der Feuerwehr, da ist meine Kirche, meine Nachbarschaft. Die Feuerwehr ist ein Teil eines dörflichen Ökosystems, das Heimat und auch Auffangnetz bietet.“

Ein Thema, dass unweigerlich zur Sprache kommt, wenn Gemeindevertreter und Feuerwehr an einem Tisch sitzen, ist die angespannte finanzielle Situation. Die Gemeinden stehen vielerorts mit dem Rücken zur Wand, die finanziellen Mittel werden weniger. Die Feuerwehr argumentiert oft sehr pauschal, dass an der Sicherheit nicht gespart werden darf. Wie kommen wir hier zusammen?

„Es ist natürlich ein schwieriger Punkt, aber durchs Reden kommen die Leut‘ z’amm und durchs Reden kommen auch Gemeinde und Feuerwehr immer wieder zusammen. Wenn wir in die Vergangenheit schauen sehen wir, es ist nicht das erste Mal, dass es ein bisserl enger wird. Man hat immer wieder solche Krisenzeiten auch als Chance genutzt, vielleicht auch Verhältnisse zueinander klarer zu regeln. Ich glaube schon, dass wir uns in solchen Phasen, so wie in allen Teilen der Verwaltung und der Aufgabenbereiche der Gemeinden, dann immer wieder hinterfragen müssen. Liegen wir noch richtig? Tun wir die richtigen Dinge und tun wir die Dinge richtig? Und das kann manchmal heißen, dass wir liebgewonnene Fahrzeugbestände hinterfragen und bei gleicher oder höherer Leistung ein Fahrzeug weniger haben. Da müssen wir auch bei den Feuerwehrhäusern einen offenen Diskurs führen. Da sind wir dann genau in dem schon angesprochenen Spannungsfeld zwischen Einsatz und Freizeit. Wir wollen den Weg gehen und Fahrzeuge sowie Gebäude standardisieren. Aber, wo wir nicht standardisieren können, ist der Gemeinschaftsgeist. Das werden wir immer auch feinstofflich berücksichtigen müssen, wenn wir über das Verhältnis Feuerwehr, Gemeinde und über Finanzierung reden. Ja, es geht uns im Moment nicht gut. Wir haben aber immer wieder gelernt, dass die Feuerwehren das auch verstehen und neue Wege der Finanzierung gefunden werden. Ich glaube gerade kleine Einheiten sind da auch sehr versiert.“

Sammelbestellungen und die Standardisierung sind bei der Feuerwehr aktuell große Themen, um Einsparungen zu ermöglichen. Muss man das noch optimieren?

„Auch in den Gemeinden wird viel über Zusammenarbeit nachgedacht. Es geht viel um Effizienz und Kooperation, deswegen reden wir auch viel über die Zusammenarbeit in Form von Gemeindeverbänden.  Auch, wenn von manchen Seiten immer wieder über Gemeindezusammenlegungen gesprochen wird, vertreten wir den Standpunkt der Freiwilligkeit. Also, wenn sich Gemeinden freiwillig zusammenlegen, dann ist es in Ordnung, dann kann das auch gut zusammenwachsen. Und so sehe ich es auch bei den Feuerwehren. Freiwilligkeit ist mir wichtig nicht nur im Einsatz, sondern auch was Zusammenlegungen anlangt. Aber ja, wir müssen wahrscheinlich in einigen Bereichen auch ehrlich über Zusammenlegungen reden. Das ist nicht vom Tisch zu wischen. Aber ich halte nichts von Zwang, sondern es muss durchdacht werden und es muss zusammenpassen.

Wenn ich von Standardisierung spreche, dann muss man ganz ehrlich sagen, dann heißt es, dass nicht jedes Feuerwehrauto individuell ausgestattet werden kann. Das sind gewisse Abstriche, die an der Identität rühren. Aber das ist mir sehr wichtig und da unterstützen wir auch die Initiativen des ÖBFV und der Landesfeuerwehrverbände zur gemeinsamen standardisierten Beschaffung. Ich werbe da schon um Verständnis bei den Feuerwehren und bei den Feuerwehrmitgliedern. Es ist nicht einfach, aber es ist eine Notwendigkeit. Ich habe Angebote für Feuerwehrfahrzeuge gesehen, die lagen bei € 560.000,- durch eine individualisierte Ausstattung. In der Standardausführung kommen wir auf € 360.000,- mit ein paar Ergänzungsausstattungen, die man individualisiert offenlässt, sind wir bei knapp über € 400.000,-. Das ist ein enormes Einsparungspotential pro Fahrzeug. Wir dürfen alle nicht vergessen: Es geht immer um öffentliches Geld, um Steuergeld und genau in diese Richtung muss man auch innerhalb der Feuerwehr bewusstseinsbildend schärfen. Dann montiert man nicht mehr im Fahrzeug um, sondern man denkt um. Den Einzelnen verstehe ich, aber wir sind alle Steuerzahler und tragen Verantwortung füreinander. Man kann die Feuerwehr in diesem Zusammenhang ein Stück zentraler denken, wie es ja auch schon jetzt in vielen Teilen des Landes funktioniert. Ich bin durchaus ein Föderalist, aber es gibt so etwas wie das Subsidiaritätsprinzip. Das bedeutet, dass Aufgaben dort gelöst werden sollen, wo es effizient möglich und sinnvoll ist. Da geht’s vor allem um Kooperation zwischen den Feuerwehren, um Schwerpunkte, wie Waldbrand, Hochwasser, Schadstoff etc. und damit verbunden notwendige größere Gerätschaften. Und da ist es dann nicht mehr möglich und auch notwendig, dass jede Feuerwehr für alle Eventualitäten gerüstet ist. Diese Abstriche wird man machen müssen, sonst brauchen wir nicht über das Sparen reden.“

Oft werden Feuerwehren mit allen anderen Vereinen einer Gemeinde in einen Topf geworfen – „alle müssen gleich viel finanzielle Mittel erhalten“ hört man oft. Hat hier die Feuerwehr als Einsatzorganisation mit einem gesetzlichen Auftrag nicht einen anderen Stellenwert einzunehmen?

„Ja, auf jeden Fall. Und deswegen unterscheide ich auch ganz klar in diese zwei Bereiche: einerseits Sicherheits- und Einsatzorganisationen und andererseits Vereine mit vordergründig gesellschaftlicher Funktion. Natürlich hat man auch in der Feuerwehr eine gesellschaftliche Funktion, aber das Wesentliche sind andere Bereiche. Da wird es auch für jede Gemeinde anzuraten sein, alle im gesellschaftlichen Bereich einheitlich zu behandeln. Aber was die Sicherheit und was den Einsatz anbelangt, spielt die Feuerwehr in einer ganz anderen Liga.“

Welche Rolle spielt die Prävention, um die Bevölkerung zu sensibilisieren und resilienter zu machen, damit es zu weniger Einsätzen der Feuerwehr kommt?

„Da müssen wir uns auch selbst hinterfragen und mehr Selbstdisziplin an den Tag legen. Wenn am Samstag alle Zeit haben, wird überspitzt formuliert jede Katze vom Baum geholt und jeder Vogel gerettet. Am Montag um 09:00 Uhr ist das kein Gemeinschaftserlebnis mehr und ein großer Teil der Mitglieder ist in der Arbeit. Wir müssen uns auf die Kernaufgaben konzentrieren. Nicht alles ist der Job der Feuerwehr. Vielen Bürgern wurde es in der Vergangenheit sehr leicht gemacht, die Eigenverantwortung abzulegen und nichts mehr für die Gemeinschaft tun zu müssen. Möglicherweise haben wir das ein bisschen überzogen in der Leistungsbereitschaft und sollten das etwas zurücknehmen. Das ist selbstverständlich schwierig, aber Eigenverantwortung ist das Stichwort.“

Dabei spielt auch die Bodenversiegelung eine große Rolle – vor allem wenn wir an Hochwasser-Ereignisse denken. Dazu haben Sie eine klare Meinung.

„Da muss man eines ehrlich sagen: bei den Starkregenereignissen können Sie die gesündesten Böden haben, da wird was passieren… Und daran müssen wir arbeiten: Abflusshemmnisse, Retentionen, gesündere Böden, die einen hohen Humusanteil haben und dadurch weniger durch eine Abschwemmung gefährdet sind, die Bewirtschaftungsweise auch in einer Partnerschaft mit der Landwirtschaft. Das ist immer ein Teil der Prävention. Aber trotzdem wird es immer wieder Schadensereignisse geben. Um für große Regenmengen innerhalb kürzester Zeit gerüstet zu sein, wird es sehr wichtig sein, dass man als Gemeinde und als Feuerwehr gemeinsam den Hausbesitzern erklärt, wie sie sich selbst vorbereiten, wo sie Material herbekommen und wie sie Sandsäcke zu schlichten haben. Hilfe zur Selbsthilfe für Haus- und Liegenschaftsbesitzer sehe ich als wesentlich an.“

Sehen Sie trotz der angespannten finanziellen Situation und der vielen Herausforderungen unserer Zeit optimistisch in die Zukunft?

„Ja sicher, der Mensch hat sich immer an Herausforderungen weiterentwickelt. Ich glaube wir hätten – und das sieht man überall in leistungsorientierten Gesellschaften – wenn ich mich nicht mehr an einem Ziel orientiere und wenn ich kein Problem mehr zu lösen habe, keine Überlebenschance. Es ist alles machbar, das liegt ja schließlich auch in der DNA der Feuerwehr. Auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren, um Herausforderungen in den Griff zu bekommen, das lebt die Feuerwehr. Eine Person alleine schafft das nicht, eine gute Mannschaft schafft alles. Die Feuerwehr ist für mich ein Zeichen, wie wir die Zukunft bewältigen, nämlich gemeinsam.“

Fotos: Richard Berger

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